Mittwoch, 25. April 2012

Sonntag, 22.4.2012: Das Rennen

So, das Rennen ist gelaufen und mit einigen Tagen Verspätung (und zurück in der Heimat) komme ich dazu, meine Gedanken zum Renntag zu sortieren und niederzuschreiben.

Zusammenfassend vorweg: Ich habe am Renntag trotz guter, disziplinierter und verletzungsfreier Vorbereitung und trotz einer guten Stimmung in London leider nicht das umsetzen können, was ich mir als erreichbares Zeitziel vorgenommen hatte. Stattdessen war die zweite Hälfte des Rennens eine ziemliche Quälerei mit vielen Gehpausen. Ins Ziel gekommen bin ich dennoch, allerdings mit letztendlich indiskutablen 4:32:28, also sogar noch mal ein paar Minuten langsamer als bei meinem ersten Marathon in Berlin. Ich bin kein großer Freund von öffentlichem Kaffeesatzlesen, daher werde ich hier und jetzt keine Analyse über die Gründe vornehmen. Es ist für mich eh fraglich, ob ich als Freizeitläufer die Mittel an der Hand habe, um die genauen Ursachen sauber zu ermitteln.

Mittlerweile hat sich die Enttäuschung deutlich gelegt und ich bin gewillt, das Gesamtprojekt London 2012 als positive Erfahrung zu sehen. Die halbjährige, gute Vorbereitung, das aufregende Wochenende in einer imposanten Metropole und die vielen emotionalen Eindrücke während des Rennens kann mir keiner mehr nehmen. In diesem Sinne: Wieder aufstehen, Mund abwischen, Lehren daraus ziehen und weitermachen.

Aber jetzt der Reihe nach.

Die Zeit bis zum Start

Es ist 5 Uhr morgens, als der Wecker klingelt. Nicht ganz einfach, um diese frühe Zeit aufzustehen, aber das bin ich ja schon von den letzten 2 Tagen gewohnt. Kurz ein wenig frisch machen, die am Vortag zurechtgelegte Wettkampfkleidung anziehen und dann einen ersten Blick aus dem Hotelzimmer werfen: Gott sei Dank, die Straße ist trocken, der Himmel fast wolkenlos. Das verspricht zumindest mal eine trockene Zeit bis zum Marathon-Start.

Ab 5:30 soll es Frühstück im Hotel geben, daher nutze ich die Zeit bis dahin, um mit Kuli eine Umrechnung von Kilometerzeiten auf Meilenzeiten auf meinen linken Unterarm zu schreiben. Ich begebe mich zum Frühstücksraum, wo bereits eine nervöse Unruhe herrscht. Das von mir geschätzte britische Frühstück muss heute ausfallen, stattdessen beschränke ich mich auf Toasts und Müsli. Ich setze mich zu einem jungen Kerl an den Tisch, aber mein Versuch auf ein wenig Kommunikation stößt nicht auf Gegenliebe. Entweder ein Morgenmuffel oder ein Opfer seiner Marathon-Nervosität. Nach der zweiten Tasse Kaffee bin auch ich endgültig wach, beende mein Frühstück und erledige die letzten Dinge auf meinem Zimmer. Jetzt bloß nix vergessen.

Um 6:15 starten die Busse pünktlich zum Transfer nach Greenwich. Nach Auskunft der Reiseleitung müssen wir deshalb so früh los, da ab 7:00 in Greenwich die Zufahrtsstraßen gesperrt werden. Ich setze mich neben einen Herrn, mit dem ich schnell ins Gespräch komme. Er nennt sich Pierre, kommt aus Sylt und ich werde die kommenden Stunden bis zum Start des Rennens mit ihm eine angenehme, recht kurzweilige Zeit verbringen. Der Bus biegt schon bald auf eine Themsebrücke ab. Na klar, der Teil nördlich des Themseufers ist ja durch die Laufstrecke gesperrt. Südlich der Themse kenne ich London so gut wie gar nicht, in der Tat fahren wir eher durch Wohngebiete als an Sehenswertem vorbei.

Relativ schnell erreichen wir Greenwich. Wir verlassen den Bus gegen 6:45. Herrje, das Rennen startet doch erst um 9:45. Wir steuern auf eine große Wiese zu, auf der durch Gitter der blaue Startbereich abgetrennt ist. Der Startbereich verfügt über hunderte von Toilettenhäuschen, eine Armada von Lastwagen zum späteren Abtransport der Kleiderbeutel, einige Zelte und Verpflegungsstände. 3 Stunden vor dem Start ist hier gähnende Leere. Da auch die Umgebung des Startbereichs keine besonderen Highlights verspricht, verzichten wir auf Erkundungstouren und gehen direkt in den Startbereich.

Irgendwie schlagen wir uns die Zeit tot. Es ist immer noch sonnig, aber um diese frühe Uhrzeit natürlich sehr frisch. Ich erwäge, ob ich mein kurzärmliges Laufshirt nicht durch ein langärmliges ersetzen soll (ich tue es nicht, was eine richtige Entscheidung war). Pierre und ich lassen uns vor einem der Zelte auf dem Gras nieder. Ich suche regelmäßig den Verpflegungsstand auf, um mich mit Wasser zu versorgen. Entsprechend oft suche ich später im Startbereich auch die Urinale auf (sehr praktisch, absolut keine Wartezeiten).

Allmählich füllt sich der Platz mehr und mehr, die gähnende Leere vom Anfang geht in ein munteres Treiben über. Wir sehen die ersten Läufer mit Kostümen. Hinter uns eine Gruppe von Franzosen mit Kopfbedeckung in Nationalfarbe. Eine Gruppe Japanerinnen (eine in Kimono) gesellt sich für ein Fotoshooting dazu. Jetzt, da es mehr zu sehen gibt, vergeht die Zeit schneller. Da das Rennen der Elite-Frauen schon um 9 Uhr beginnt, tut sich jetzt auch einiges auf der großen Videoleinwand. Die Schlange an den Toilettenhäuschen wird zunehmends länger.

Um ca. 9:15 verspüre ich dann selbst nochmal die Notwendigkeit eines Toilettengangs. Ich stelle mich an und nach einer viertel Stunde bin ich auch schon an der Reihe (jeweils 15 Toilettenhäuschen bedienen eine Läuferschlange, intelligent gelöst). Zurück zu meinem Platz, raus aus Trainingsjacke und langer Hose, schnell einen Wegwerf-Pullover anziehen und den Kleiderbeutel am richtigen Lastwagen abgeben.

Eine Viertelstunde vor dem Start herrscht jetzt aufgeregtes Treiben auf dem Platz. Ich verabschiede mich von Pierre (er hat einen anderen Startblock) und reihe mich in die Startaufstellung ein. Es ist hier gut gefüllt, aber nicht gedrängt. Ein Gel wird wie geplant vor dem Start zu mir genommen, drei weitere Gels habe ich in der Hosentasche als Wegzehrung dabei. Wir werden aufgefordert, nach vorne aufzurücken und kommen so im Gehschritt schon ziemlich nahe an das große Starttor heran. Plötzlich spüre ich wieder Druck auf der Blase. Mist, ist das nur Einbildung ? Ich gehe vorbei an einer Lücke in der Abzäunung und sehe in 50 Meter Entfernung den Eingang zu den Urinalen. Also los, ein paar Minuten habe ich noch, daher ein kurzer Abstecher zwecks letztem Wasserlassen und wieder zurück in die Aufstellung. Vorne fällt der Startschuss für die Eliteläufer. Vor mir sieht man jetzt das typische Bild vor einem Marathonstart: Läufer entledigen sich ihrer  Jacken oder Plastikumhänge, die in hohem Bogen zur Seite fliegen. Ich tue es den anderen gleich. Wir sind allesamt jetzt in einem Marschierschritt und ca. 10 Meter vor dem Starttor geht es fließend in eine Laufbewegung über. Ich passiere die Startmatte, betätige meine Laufuhr und das Abenteuer beginnt.

Die erste Rennhälfte

Trotz der Tatsache, dass der London-Marathon eine der höchsten Teilnehmerzahlen hat, bin ich dennoch nur gut 4 Minuten hinter der Spitze über die Startlinie gegangen. Und alle sind in meinem Block der 4-Stunden Läufer sofort in einem flüssigen Laufrhythmus unterwegs. Sehr angenehm und sehr gut organisiert. Das erste Stück der Straße ist auch breit genug, um die Läufermassen gut aufzunehmen (so richtig enge Stellen wird es übrigens nirgends auf der Strecke geben). Nur zweimal auf der ersten Meile gibt es dann einen plötzlichen Rückstau, der alle sofort zum Stehen bringt. Aber nach wenigen Sekunden ist man schon wieder am laufen. Es ist nach wie vor blauer Himmel, ich habe beschlossen zunächst mal die Laufhandschuhe anzuziehen, da ich sehr schnell an den Händen friere. Nach einigen Meilen werde ich sie aber ausgezogen haben.

Das anfängliche Lauftempo liegt bei gut 6 min/km. Das kommt mir entgegen, da ich es am Anfang bloß nicht zu schnell angehen will. Zudem würde ein schnelleres Tempo zu diesem Zeitpunkt in der Masse der Läufer ein ziemlich stressiges Überholgedränge bedeuten. Dann doch lieber etwas abwarten. Allzu falsch kann ich mich nicht einsortiert haben, denn kurz vor mir steht ein Zugläufer mit seinem Schild für eine Endzeit 3:56 (komische Zeiteinteilung). Von Anbeginn ist die Laufstrecke von Publikum umgeben (das wird sich auch bis zum Ziel nirgendwo ändern). Nach wenigen Meilen sind dann die Strecken des grünen und des roten Startbereichs mit uns zusammengeführt. Mir fällt gleich auf, wie gut und vorausschauend die Details der Strecke ausgeschildert sind. So gibt es etwa nach Meile 2 ein kurzes Stück, wo kurz nacheinander mehrere Bodenwellen (engl.: bump) zur Verkehrsberuhigung vorhanden sind. Da stehen nicht nur Warnhinweise, sondern neben jeder Bodenwelle ist auch ein Helfer abgestellt, der unermüdlich "bump" ruft. Sehr vorbildlich. Plötzlich neben mir ein kleiner Unfall. Eine Frau ist zum Überholen ein Stück über den Bürgersteig gelaufen, wo aber Zuschauer stehen. Offensichtlich stolpert sie über einen Hund und legt sich auf die Nase. Der arme Hund jault auf.

Das Feld entzerrt sich ein wenig, so dass man hin und wieder durch eine Lücke an ein paar Läufern vorbeihuschen kann. Es geht bei Meile 3 am meisten bergab, so dass ich dort meine zunächst verlorene Zeit schon wieder rausgeholt habe. Bei dem ganzen Überholen sieht man immer wieder Kurioses. Ein Läufer hat sich komplett in ein Rhinozeros-Kostüm gezwängt (Story dazu siehe hier: http://tinyurl.com/6usd44h), eine Dame verschafft sich Platz, indem sie mit einem Hula Hoop Reifen um die Hüften wackelt (siehe http://tinyurl.com/cdbb4xj), später werde ich noch zwei 'Läufer' sehen, die den Marathon auf Stelzen absolvieren (siehe http://tinyurl.com/79hyhtm). Und dann ist da noch der Mann (laut Laufshirt heißt er Ian), der mir immer wieder begegnen wird und seinen Marathon hartnäckig in Geher-Manier absolvieren will.

Bei jeder zurückgelegten Meile nehme ich manuell die Zwischenzeit und prüfe zusätzlich bei jeder offiziellen Zeitnahme alle 5 Kilometer mein Renntempo. Bei km 5 und 10 liege ich voll im Plan und genieße den Lauf in vollen Zügen. Die Stimmung am Wegrand ist grandios. Es gibt zwar nicht ganz so viele Bands wie bei anderen Rennen, dafür sind die Zuschauer ein dauerhafter 'Motivationsfaktor'. Alle 2 Meilen gibt es Wasserstationen, leider immer nur auf einer Seite der Rennstrecke und dann dummerweise nicht immer auf der selben Seite. Daher verpasse ich die ein oder andere Getränkestation und muss mich fortan ein wenig vorausschauender auf deren Ankündigung konzentrieren. Das Wasser gibt es in Flaschen statt in Bechern, so dass man nichts verschüttet und das Getränk auch noch eine Weile lang mitführen kann, sehr praktisch. Allerdings dürfte so ziemlich jede Flasche 3/4-voll weggeschmissen worden sein. Und die Flaschen stellen eine gewisse Verletzungsgefahr dar, so dass man im Bereich hinter den Verpflegungsstationen sehr gut aufpassen muss wo man hintritt.

Wir laufen durch Greenwich durch, jetzt kommt mir das Sonnenschein-Wetter (knapp über 10 Grad) fast schon eine Ecke zu warm vor. Das erste Wasser wird über den Kopf geschüttet. Wir passieren die erste Sehenswürdigkeit, den Dreimaster Cutty Sark, der gerade eben nach einem Brand wieder restauriert wurde. Die Strecke führt direkt um das Schiff herum und das Publikum macht hier einen Höllenlärm. Gänsehaut !!! Etwas später geht's hinauf auf einen kleinen Buckel. Oben angekommen kann man fantastisch weit auf die vorausliegende Strecke schauen und sieht das Meer von bunt gekleideten Läufern vor einem. Ein unbeschreibliches Bild. Vor lauter Begeisterung verpasse ich prompt wieder eine Wasserstation. Was soll's: Ich frage einfach eine Läuferin neben mir, ob sie ihre Wasserflasche vor dem Wegschmeissen an mich weiterreicht. Klar macht sie das.

Ich bin zwar noch in meinem Zeitplan, aber meine Meilenzeiten werden geringfügig langsamer. Vor allem bemerke ich, dass der Zugläufer sich so langsam immer weiter von mir entfernt. Ich horche kurz in mich hinein, ob ich mir ein Aufholmanöver zutraue, aber ich lasse es bleiben, da dies immer noch ein ziemliches Zick-Zack-Laufen bedeuten würde. Das Rennen kommt mir allmählich zäher vor, die Meilenmarkierungen stehen gefühlt immer weiter auseinander. Wo bleibt denn jetzt die Tower Bridge ?

Endlich geht es von der langen Gerade aus in eine scharfe Rechtskurve und plötzlich steht man unvermittelt vor der Tower Bridge und läuft unter ohrenbetäubendem Lärm der Zuschauer über diese einzigartige Sehenswürdigkeit. Mein Herz macht wohl den ein oder anderen Aussetzer, so emotional berührt mich dieser Streckenabschnitt. Hinter der Brücke biegt man rechts ab in Richtung Docklands. Die nächste Meile läuft man dort auf der einen Straßenhälfte durch die Halbmarathonmarkierung und sieht auf der anderen Straßenhälfte die Läufer weiter vorne im Feld, die sich da schon bei Meile 20 bis 21 befinden. Ich sehe zwar niemanden mehr aus der dunkelhäutigen Weltspitze, aber allzu weit dahinter können diese Läufer auch nicht liegen, da nur alle paar Minuten mal ein Einzelner oder eine Gruppe vorbeigerast kommt. Beeindruckendes Tempo.

Ach ja, die Hälfte der Strecke ist zu diesem Zeitpunkt geschafft. Zwischenzeit: 1:59:53. Das ist zwar noch im Plan für Sub-4, aber ich verzeichne deutlich eine Reduktion des Tempos auf den letzten Meilen. Und meine Beine fühlen sich auch nicht mehr besonders frisch an.

Die zweite Rennhälfte

Es geht nunmehr auf eine längere Schleife durch die Londoner Docklands und das Hochhausviertel Canary Wharf. Keine Gegend, die ich als besonders attraktiv bezeichnen würde. Man sieht auf dem Hinweg eigentlich ständig diese markanten Hochhäuser am Horizont, aber irgendwie kommen sie nicht näher. Schließlich geht es durch eine Unterführung und bei Wiedereintritt ins Tageslicht läuft man dann endlich zum erstenmal an Canary Wharf vorbei. Meine Waden sind erstaunlich verhärtet, ein lockerer Laufstil ist mir nicht mehr möglich. Merkwürdig, im Training ging das bei Kilometer 25 doch alles viel besser. Es geht weiter bis zur Südspitze der Docklands (einer Halbinsel in den Themseschlingen), dabei offensichtlich ein klein wenig mit Anstieg (oder bilde ich mir das nur ein ?). Jedenfalls kommt in dieser Gegend (ca. bei Meile 16) zum erstenmal der Wunsch nach einer Gehpause in mir auf. Ein-, zweimal kann ich dieses Gefühl noch unterdrücken, aber dann gebe ich leider dem Verlangen zum ersten mal nach. Und dabei weiß ich doch ganz genau, dass es jetzt nie im Leben nur bei dieser einen Gehpause bleiben wird.

Ich stelle erst jetzt, beim Gehen, fest, dass mein Puls doch höher ist als gedacht. Als dieser sich wieder ein wenig beruhigt hat, laufe ich wieder langsam an. Nach wenigen Metern komme ich wieder in einen Rhythmus hinein, aber relativ bald überwiegt schon wieder das Unbehagliche. Leider finde ich auch mental gerade keinerlei Motivationshilfe, die mir über dieses Loch hinweg helfen kann. So gebe ich immer wieder dem Impuls einer benötigten Erholungspause nach. Mist !!!

Die Strecke führt jetzt ein zweites mal durch Canary Wharf und diesmal im Zickzack mitten durch die Hochhäuser. Zu meiner Überraschung stehen hier viel mehr Leute als erwartet und die Stimmung vom Publikum ist noch mal eine echte Hilfe. Aus den Lautsprechern tönt 'don't stop me now' von Queen. Es läuft wieder ein wenig flüssiger (wer will schon an so einer Stelle gehen statt laufen ?). Allerdings bin ich bei diesem Streckenabschnitt (ca. km 28) bei weitem nicht der einzige Geher. Und hier sehe ich auch zum ersten mal eine Ambulanz im Einsatz bei einem kollabierten Läufer. Ein Bild, dass man nicht unbedingt sehen möchte. Aber es wird auf den folgenden Kilometern leider immer häufiger vorkommen. Nach dem Rennen habe ich erfahren, dass eine junge Dame 800 Meter vor dem Ziel tot zusammengebrochen ist. Welch Drama.

Die folgenden Meilen ziehen sich wie Gummi. Ich versuche, mich zwischendrin immer wieder zum Weiterlaufen zu motivieren, indem ich mir markante Punkte auf der Strecke als Zwischenziel vornehme. Bei Kilometer 35 komme ich wieder an die Stelle, wo ich auf dem Hinweg die ganz schnellen Läufer sehen konnte. Und auch jetzt noch sind auf der gegenüberliegenden Straßenseite die ganz langsamen Teilnehmer zu sehen. Das werden dann die 6~7 Stunden-Läufer sein. Ehrlich gesagt, sind die aber auch schon alle am Gehen. Ein großer Teil der Charity-Teilnehmer läuft auch in diesem Bereich sowie diejenigen Teilnehmer mit sehr, sehr unhandlichem Kostüm.

Der letzte Bereich ab Meile 24 ist dann noch mal ein echtes Highlight der Sehenswürdigkeiten. Man läuft am Themseufer vorbei, sieht am Horizont London Eye und Big Ben und biegt an Letzterem rechts ab zum Buckingham Palace. Ich versuche mich nochmal zusammenzureißen und wenigstens dieses letzte, Zuschauer-gesäumte Teilstück durchzulaufen, aber mittlerweile reagiert auch mein Magen sehr empfindlich auf längere Laufabschnitte. So bleibt mir nichts anderes übrig, als meinen Geh / Laufrhythmus bis zum bitteren Ende durchzuziehen. Wenigstens die letzten 200 Meter auf der Mall bis zum Ziel schaffe ich dann noch laufend, damit vielleicht noch das ein oder andere schöne Foto entsteht. Es ist vollbracht.

Nach dem Rennen

Im Zielbereich geht alles super-organisiert ab. Hunderte von Helfern gratulieren einem und achten sorgsam auf die körperliche Verfassung der Ankömmlinge. Zunächst geht es auf eine kleine Rampe, an der einem der Laufchip entfernt wird, danach bekommt man seine Medaille, wird zu einem Siegerfoto einzeln vor eine Wand gestellt und erhält einen Beutel mit Zielverpflegung. Dann stehen auch schon die Lastwagen mit den Kleiderbeuteln bereit. Bis ich das alles abspaziert habe, kommt es mir wie der Marathon nach dem Marathon vor.

Ich verlasse den für Läufer abgesperrten Zielbereich und suche am Admirality Arch den vereinbarten Treffpunkt für die DERTOUR Läufer. Schließlich finde ich dort die Reiseleitung. Pierre ist leider nicht mehr zu sehen. Ich vermute, er ist deutlich früher ins Ziel gekommen. Später erfahre ich dann in den Ergebnislisten, dass er einen ganz ähnlichen Einbruch auf der zweiten Laufhälfte hatte.

Lustigerweise erkenne ich in der Nähe meiner Reisegruppe ein bekanntes Gesicht. Uli Sauer, der Betreiber der sehr informativen Seite www.london-marathon.de/ sitzt am Straßenrand (ich erkenne sein Gesicht von einigen Bildern auf seiner Seite). Ich begrüße ihn kurz und spreche ihm meinen Dank für die wertvollen Informationen auf seiner Seite aus. So viel Zeit muss sein.

Es ist übrigens immer noch trocken, mittlerweile aber etwas bewölkt. Der Wettergott hat also mitgespielt. Dennoch wird mir jetzt allmählich kühl und ich ziehe meine Trainingsjacke und lange Hose wieder an. Obwohl ich gerne noch ein paar Impressionen auf Foto bannen würde, ist mir dennoch die Rumlauferei nach dem Lauf gerade viel zu viel. Und so trete ich den Weg zurück ins Hotel an. Im Schneckentempo schleiche ich zur nächsten Underground Station (Charing Cross), von der aus ich leider auch noch zweimal umsteigen muss. Und jedes Umsteigen in London's U-Bahn ist immer mit viel Treppensteigen verbunden. Autsch !

Nach endloser Zeit bin ich wieder im Hotelzimmer. Eigentlich möchte ich mich sofort hinlegen, aber mein Hygienebewusstsein verlangt zunächst den Gang in die immer noch viel zu kalte Dusche. Dabei wäre mir jetzt ein warmes Bad so willkommen. Ich lege mich im Anschluss auf mein Bett und schaue ein wenig Fernsehen. Jetzt heißt es 'Wunden lecken'. Da sind zunächst mal einige Blasen unter den Füßen und drei kaputte Zehennägel.

Nach 2~3 Stunden Rumliegen raffe ich mich auf, um erste Mitteilungen in Facebook zu schreiben. So gerne ich auch meinem geschundenen Körper noch etwas mehr Ruhe gönnen würde, so sehr spüre ich doch, dass ich wieder Fahrt aufnehmen sollte. Schließlich ist am nächsten Tag schon die Abreise und es muss noch einiges gerichtet werden. Außerdem habe ich so langsam Kohldampf. Ich begebe mich zu einem Italiener in Hotelnähe auf eine Pizza und im Anschluss daran gönne ich mir noch ein Pint of Lager in einem Pub nebenan. Und dann geht es auch relativ schnell in Richtung Schlafkoje.


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